Rieke Schneider ist Rangerin im Nationalpark Schwarzwald. Ihre „Spurenführungen“ im Winter sind spannend wie lehrreich.
Autorin: Birgitt Hölzel | Fotograf: Hardy Müller | 2. Dezember 2024
Nationalpark Schwarzwald
Rieke Schneider ist Rangerin im Nationalpark Schwarzwald. Ihre „Spurenführungen“ im Winter sind spannend wie lehrreich.
Autorin: Birgitt Hölzel | Fotograf: Hardy Müller | 2. Dezember 2024
Die Kost des Auerhuhns ist im Winter besonders karg. Das Einzige, was es bei Schnee und Eis zum Fressen findet, sind die Nadeln der Latschenkiefer. „Die zwickt es mit seinem Schnabel so ab“, sagt Rieke Schneider und kneift mit Daumen- und Zeigefingernagel die langen, harten Latschenkiefernadeln zur Hälfte durch. „Nur daran erkennt man, dass eines hier war. Oder ist.“ Denn das Auerhuhn duckt sich ganz dicht in eine Schneehöhle unter den kleinwüchsigen Bäumen und verhält sich vollkommen ruhig. So dass die Spaziergänger es im Nationalpark Schwarzwald gar nicht erkennen könnten; auch wenn sie ganz nah an ihm vorübergehen. Rieke, deren Blick geschult ist für die kleinen Dinge des Waldes, würde es dennoch sehen. Denn die 28-jährige Baiersbronnerin ist eine von zehn hauptberuflichen Rangerinnen und Rangern im Nationalpark.
Zusammen mit ihrem Husky Attila streift sie täglich durch das geschützte Gebiet. Im Winter oft auf Gebietskontrollgang, im Sommer eher mit geführten Gruppen. Bei Schnee, klarem Wetter und strahlender Sonne, wenn man über die Rheinebene hinweg bis in die Vogesen schauen kann, ist sie viel unterwegs. „Der Schnee verleitet dazu, die Pfade zu verlassen und in die unberührten Schneefelder zu stapfen. Klar ist das toll. Aber dass die Leute dabei total viele Tiere aufscheuchen, ist ihnen oft gar nicht bewusst.“
Für die Tiere bedeutet jede kleine Fluchtaktion im Winter, viel von der Energie zu verbrauchen, die sie mit wenig gehaltvoller Nahrung ohnehin nur mühsam aufnehmen. „Der Winter ist für die Tiere echt eine harte Zeit. Die meisten sind im Energiesparmodus, um zu überleben.“ Als Rangerin ist es unter anderem ihre Aufgabe, Wanderer und Schneeschuhgänger abseits der markierten Pfade wieder auf Spur zu bringen. „Die meisten gehen schnell zurück auf den Weg. Manche haben leider kein Einsehen. Da muss man schon mit Nachdruck sprechen.“
Bis zu 20 Kilometer legt die Forstwirtin an manchen Tagen im Nationalpark zurück. Der Rucksack gefüllt mit Erste-Hilfe-Päckchen, Getränk und Vesper, bei Bedarf Schneeschuhen sowie einer Nationalparkkarte und Flyern. Bei einer geführten Wintertour wie einer „Spurenführung“ trägt sie außerdem: Bildmaterial der Tiere und Pflanzen, Auerhuhn-Losung, also dessen Kot, sowie verschieden angeknabberte Kieferzapfen und Stempel von Tierspuren. Sie liebt diese Wanderungen, bei denen es darum geht, Tierspuren zu lesen. „Besonders bei Neuschnee sieht man morgens eine Menge davon. Viele Tiere, Fuchs, Hasen, Rotwild, benutzen auch unsere Pfade, also die der Menschen. Das ist für sie einfacher, weil der Schnee darunter zusammengetreten ist und sie nicht so tief einsinken.“
Rieke freut sich, wenn sich die Teilnehmer ihrer Führungen dann auch wirklich Spuren deuten wollen. „Wir schauen uns die Abdrücke von Schneehase, Eichhörnchen, Reh und Fuchs genau an: Wie haben sich die Tiere bewegt? Sind sie gelaufen oder gegangen? Das erkennt man an der Schrittlänge. Waren es ein oder zwei Tiere, Männchen oder Weibchen? Ist eine Pfote tiefer, hat er also das Gewicht verlagert? Auch für Kinder ist das wahnsinnig spannend,“ erzählt die Rangerin mit einem Strahlen im Gesicht.
Nur wenn der Schnee harschig und alt ist, behilft sie sich schon mal mit einem Tierspuren-Stempel. „Es geht ja auch darum, dass die Leute die Fährten der Tiere auf ihren eigenen Touren wiedererkennen und deuten können. Das macht sie aufmerksam für ihre Umgebung.“
Gerade nachts im Wald zu sein, ist ein tolles Erlebnis. Wenn man sich auf die Stille einlässt, hört man eine ganze Menge.
Rieke Schneider, Rangerin im Nationalpark Schwarzwald
Rieke ist mit Begeisterung bei der Sache. Seit drei Jahren trägt sie dazu bei, dass sich der Wald wieder zurückentwickeln kann – zu unberührter Natur. Im Sommer holt sie auch schon mal Schlauchbootfahrer vom Wilden See, sie bittet Wanderer, ihre Hunde an die Leine zu nehmen und auf den Wegen zu bleiben, um die Wildtiere zu schonen. Sie kontrolliert die Gäste auf den drei offiziellen Zeltplätzen im Nationalpark, ob sie auch gebucht und sich nicht einfach reingeschlichen haben. Und sie beobachtet die Natur. „Gerade nachts im Wald zu sein, ist ein tolles Erlebnis. Wenn man sich auf die Stille einlässt, hört man eine ganze Menge. Da ist echt was los im Wald. Da verstehe ich schon, dass unsere Trekkingcamps in der Schutzzone so beliebt sind.“
Ein Schlüsselerlebnis für die Wahl ihres Berufs war übrigens eine Jugendfreizeit mit der Naturschutzjugend (NAJU), als Rieke im Alter von 17 Jahren drei Wochen lang mit Rucksack und ohne Handy in einer Gruppe durch die rumänischen Karpaten wanderte - fernab jeder Zivilisation. „Erst hatten wir Wildnis pur, dann kamen wir in ein Gebiet mit sehr viel Kahlschlag. Das hat mich echt erschüttert.“ Kaum wieder zu Hause fragte sie ihre Mutter, was sie machen kann, um diese Wälder zu retten. „Studiere doch Fortwirtschaft“, war der Rat ihrer Mutter, was sie auch tat. Und kurz vor knapp ergatterte sie dann noch eine der letzten freien Stellen als Rangerin im Nationalpark Schwarzwald. Es ist ihr absoluter Traumberuf, der noch erfüllender ist, wenn sie die Besucher für dessen Schönheit sensibilisieren kann. Und dafür, dass die Tiere im Winter viel Schutz und Ruhe brauchen. Auch deswegen macht sie so gerne ihre „Spurenführungen“.
Klein aber oho! Sicherlich gibt es in Baiersbronn kein großes Skigebiet, aber trotzdem kommen in der winterlichen Schneelandschaft alle auf ihre Kosten. Egal ob beim Langlaufen, Winterwandern, Schneeschuhlaufen, Ski- und Snowboardfahren, Rodeln, Schlittschuhlaufen oder Eisstockschießen.